„Russische Photographien“ in Utrecht

Es ist nicht das erste Mal, dass der niederländische Dirigent Herman Draaisma mit seinem Orchester „Zoroaster“ die „Russischen Photographien“ von Rodion Shchedrin in sein Konzertprogramm aufnimmt. Diesmal wird diese viersätzige Saitenmusik für Streichorchester aus dem Jahr 1994 am 21. und 22. Juni in der Lutherischen Kirche in Utrecht zu hören sein. Sie führt in musikalischen Rückblenden verschiedene Erinnerungen des Komponisten an seine russische Heimat vor, in denen er nicht nur nostalgisch auf seine Kindheit zurückblickt, sondern auch, mal mit Humor und Ironie, mal auch mit Schmerz und Grauen, auf das Leben in der früheren Sowjetunion und auf die damalige gesellschaftliche und politische Realität. Während sich Shchedrin im ersten Teil des Werkes „Die alte Stadt Aleksin“ an den ihm vertrauten Ort seiner Kindheit und an seinen Großvater, den örtlichen Priester, erinnert, zeichnet er im zweiten Teil „Küchenschaben in ganz Moskau“ ein humoristisches Bild über diese anhaltende Plage, unter der die russische Hauptstadt leidet. Im darauffolgenden dritten Teil „Stalin-Cocktail“ sind dagegen der Trommelwirbel und der Krach von Militärparaden, das Seufzen der Opfer der stalinistischen Säuberungen und der Schall von Schießgewehren nebst der Melodie des alten russischen Liedes „Otschi Tschornije“ („Schwarze Augen“) zu vernehmen, das der grausame Diktator angeblich sehr gerne sang. Abschließend fühlt man die Trauer Shchedrins über die Folgen des kommunistischen Regimes: das entfernt klingende Glockengeläut halb zerstörter Kirchen, die Allmacht des Atheismus und die Zwietracht unter seinen Landsleuten. Dabei greift der Komponist auf das bekannte russische Volkslied „Abendglocken“ zurück, wie auch der Titel des letzten Satzes des Werkes lautet.